In den folgenden Zeilen gehen wir einmal durch, wie wir unsere Dramaturgie spannender gestalten und somit eine interessantere Geschichte erzählen können.
Falls der Begriff Dramaturgie einigen unter uns nicht direkt geläufig ist, hier eine kurzer Einstieg:
WAS IST DRAMATURGIE ÜBERHAUPT?
Unter dem Begriff Dramaturgie versteht man die dramatische Struktur einer Erzählung. Das bedeutet, dass hier die Auswahl erzählerischer Mittel sowie deren Anordnung stattfindet.
Einfacher ausgedrückt: Die Dramaturgie ist der rote Faden dem die Geschichte folgt.
Dieser rote Faden ist deshalb so wichtig, weil hinter dem Aufbau eines Filmes, Theaterstück oder einem Roman mehr Arbeit steckt als so mancher auf den ersten Blick vermuten mag.
Bei einer geschlossenen Dramaturgie zum Beispiel, gibt es einen festen Rahmen, in dem die Geschichte stattfindet. Bei einem Drehbuch bedienen sich viele Autoren deshalb klassisch der 3-Akt-Struktur: Einleitung, Hauptteil, Schluss. Wer in der Schule war und Aufsätze geschrieben hat, dem wird dieser Ablauf sicherlich geläufig sein. Wenn nicht, dann sehe ich den Bildungsauftrag hiermit als erfüllt.
Wer nicht ganz so geschlossen arbeiten möchte, der bedient sich der offenen Dramaturgie. Hier besteht, wer hätte es gedacht, kein fester Rahmen. Das ist gar nicht mal so verkehrt, denn diese Vorgehensweise ermöglicht uns zum Beispiel das Erzählen von mehreren, parallel ablaufenden Handlungssträngen. Da dem Zuschauer dabei die Geschichte oft nicht auf dem Silbertablett serviert wird, regt dieser Ansatz zum Nachdenken an und fordert das Publikum dazu auf, aktiv am Geschehen teil zu haben, was durchaus interessant sein kann.
Jetzt wo wir wissen, was es mit dem Begriff der Dramaturgie auf sich hat, kommen wir zum nächsten Abschnitt und dem Kern dieses Artikels.
Wie baue ich eine gute Dramaturgie auf?
Wir wissen jetzt also, wie unser Fahrzeug heisst und wie es grob funktioniert. Nun müssen wir noch lernen wie man es fährt.
Los geht’s!
DIE GEGENSÄTZE
Als wäre es schon fast ein Naturgesetz, sind wir Menschen fasziniert von Gegensätzen. Genauso wie im letzten Artikel bei Ziel und Hindernis unserer Figur besprochen, erzeugen starke Gegensätze auch in der Handlung großartige Geschichten.
Ganz klassisch und überaus prominent ist hier selbstverständlich der Kampf von Gut gegen Böse. Da wir Menschen ohnehin schon Meister darin sind, unsere Welt in Gut und Böse zu unterteilen: Warum sollten wir dann nicht auch Gebrauch davon machen, diese beiden Gegenpole in einer Geschichte gegeneinander antreten zu lassen: Mittelerde gegen Sauron, die Jedi gegen die Sith, Mr Krabs gegen Plankton oder Rick gegen Negan.
Gegensätze können jedoch auch vielschichtiger sein. Ein gutes Beispiel dafür ist meiner Meinung nach die preisgekrönte Serie Breaking Bad. Alles beginnt damit, dass Walter White gegen den Krebs ankämpft. Um diesen Kampf zu “gewinnen“, möchte er dafür sorgen, dass seine Familie nach seinem Tod finanziell gut versorgt ist. Da er Chemiker ist und sich dementsprechend auch unter gegebenen Umständen mit dem Thema Drogen vertraut machen kann, beschließt er genau diese herzustellen und zu verkaufen. Ein weiterer, großer Gegensatz, da seine Person eher einem introvertierten Chemie-Lehrer im Ned Flanders-Look entspricht. Ups.
Dann entwickelt sich ein Gegensatz nach dem anderen, bis er am Ende sogar gegen sich selbst ankämpft. Für uns bedeutet das also auch, dass wir diese wertvollen Gegensätze also auch an unsere Hauptfigur knüpfen können. Vielleicht hilft dir dabei auch einer meiner letzten Artikel.
DIE UNWISSENHEIT UNSERER FIGUR
Wer sich selbst oft dabei erwischt, seine Couchgenossen oder Kinonachbarn mit einem ,,Nein! Mach das nicht!“ zu beschallen, der wird diesen Punkt hassen – oder lieben.
Einer jedenfalls, liebt diese Unwissenheit so sehr, dass er gleich einen Begriff dafür definiert hat. Dieser Jemand ist niemand geringerer als Alfred Hitchcock – der Erfinder des MacGuffins.
Da dieser Begriff so prägend für viele Filmschaffende ist, lassen wir Mr Hitchcock doch einfach mal kurz selbst sprechen:
,,Nehmen wir an, da ist eine Bombe unter diesem Tisch zwischen uns. Nichts passiert. Und dann plötzlich: „Bumm!“ Es gibt eine Explosion. Das Kinopublikum ist überrascht. Bis da hat es eine gewöhnliche Szene gesehen, die keine besondere Bedeutung hat. Nun nutzen wir die Dramaturgie: Wir erfinden eine spannende Situation. Sprengstoff liegt unter dem Tisch. Der Zuschauer hat die Person gesehen, die den Sprengkörper dort hingelegt hat. Er ist sich bewusst, dass die Bombe um zwölf Uhr explodiert. Darum steht eine Uhr im Dekor. Jeder sieht, es ist Viertel vor zwölf. So wird das gleiche, harmlose Gespräch vor der Explosion eine Qual, weil der Kinobesucher emotional in die Szene eintaucht. Er will die Figuren warnen: „Rede nicht über so triviale Dinge. Da ist eine Höllenmaschine unter dem Tisch. Sie ist dabei, zu explodieren!“
Ich spreche davon, dass es extrem spannend ist, wenn wir als Publikum eine Art Wissensvorsprung gegenüber unserer geliebten Figur haben. Das kann zum Beispiel eine Situation sein, in der unsere Figur ein Gebäude betritt, von dem wir ganz genau wissen, dass es überaus gefährlich für sie ist. Das Problem: Wir können die Figur nicht davon abhalten hineinzugehen.
Dieses Gefühl löst bei den besonders hilfsbereiten unter uns enormen Stress aus. Der Vorteil: Genau das suchen wir doch, wenn wir uns dafür entscheiden einen spannenden Film zu sehen oder einen Thriller zu lesen.
Unwissenheit funktioniert auch deshalb so gut, weil wir uns bei einer gut geschriebenen Figur leicht in sie hineinversetzen können. Ganz einfach formuliert wissen wir also was uns passieren wird, können uns jedoch nicht dagegen wehren.
DIE ÜBERRASCHUNG
Überraschungen. Die einen hassen sie, die anderen lieben sie. Je nachdem wie man Liebe und Hass auslegt, scheint dieser Tipp in jedem Fall ziemlich beliebt zu sein.
Besonders gut funktionieren Überraschungsmomente natürlich in Horrorfilmen. Der Teufel, der nach ein paar Schuss-Gegenschuss Einstellungen plötzlich hinter einem der Protagonisten auftaucht oder die Hand, welche plötzlich unter dem Bett hervorspringt. Kennen wir alle.
Diese Überraschungen können auch sehr viel subtiler stattfinden und müssen nicht uns nicht zwingend aufschrecken lassen. Was fast schon unnötig klingt zu erwähnen, jedoch viel zu effektiv ist, um es wegzulassen, sind eben genau diese plötzliche Anrufe mit der Information, welche die Handlung komplett verändert. Aber auch die Person, die eigentlich tot scheint, dann aber unerwartet im richtigen Moment auftaucht.
Das waren sie, die 3 Tipps, welche unsere Erzählungen zu einer interessanteren Geschichte formen. Sehr wahrscheinlich waren diese drei Punkte kein verborgenes Wissen, welches nach jahrelangem Verschluss plötzlich zum Vorschein kommt. Das muss auch gar nicht so sein, denn oft ist es gar nicht nötig das Rad neu zu erfinden. Es kann aber hilfreich sein, sich diese scheinbar offensichtlichen Punkte noch einmal vor Augen zu führen, um das Rad besser zu fahren.
Viel Spaß beim Schreiben!
Phil